Eingewickelt – Gedanken zu Spotify Wrapped
Ich gestehe. Ich nutze Spotify, höre verdammt viel Musik, bin es Leid ständig MP3s oder CDs zu kaufen und finde Streaming unglaublich praktisch. Bis vor ein paar Jahren war ich tatsächlich noch jemand, der sehr viele CDs gekauft hat, ehe mir der Platz für neue Alben ausging. Und nachdem ich immer gedacht hatte, das man Spotify nur kostenpflichtig nutzen kann (man fragt ja niemanden oder liest im Internet nach), habe ich dieses Jahr nun doch einmal den kostenfreien Dienst ausprobiert. Ab und an ein wenig Werbung, kennt man ja auch im Radio und Shuffle-Mode ist auch nicht das schlimmste.
Daniel, ein Freund von mir, ist seit Jahren begeisterter Spotify-Nutzer und zahlender Kunde war es, welcher mir die ein oder andere praktische Funktion erklärte. Inzwischen sind meine Frau und ich auch zahlende Kunden mit einem Partner-Account. Hin und wieder schiebt man sich eine Playlist zu, diskutiert über das gehörte und hat einfach Freude daran, dass der Platz in der Wohnung nun gänzlich dem Klemmbaustein-Hobby anheim fallen kann.
Und dann kam Wrapped
Wie erwähnt, ich bin immer noch Neuling in Spotify. Mein Account besteht erst seit April und ich hatte keine Ahnung, was alles auf mich warten sollte. Daniel erzählte mir von Wrapped. Einem Jahresrückblick, den Spotify für seine Nutzer bereitstellt. Immer zum Jahresende, so wurde mir erklärt.
Ich gestehe weiter, dass ich ein Fan von Statistiken bin. Ein völlig dämlicher Spleen. Ich grüble gerne über die Zahlen meines YouTube-Accounts und an welcher Stellschraube gedreht werden muss, um die Videos und Shorts so zu produzieren, wie das der Zuschauer mag. Auch in der Arbeit bin ich Fan von Tabellen und Co. Auswertungen zu allem möglichen. Irgendwie gut, wenn einem Zahlen übersichtlich präsentiert werden. Ergo freute ich mich darüber, dass Spotify mit meine Top Songs in bunten Farben präsentierte und ich war doch ein wenig überrascht, welches Lied auf Platz 1 gewesen ist. Mir war nicht bewusst, dass ich von War Pigs von Black Sabbath so oft angehört hatte. Das Iron Maiden eine meiner Lieblingsbands ist, musste mir Spotify übrigens nicht mehr erklären. Das wusste ich vorher schon. Nun bin ich doch in einigen sozialen Medien unterwegs und so teilte ich ein paar Statistiken auf Mastodon. Wie konnte ich nur!
ALLES DATENKRAKEN!!!
Herje. Ich hätte es wissen müssen. Auch Spotify ist nur eine Datenkrake. Sie nutzen die Daten der verwendenden Personen und werten darüber aus, welche Nationalität, Geschlecht, Vorlieben und Orientierungen man so hat und teilen das munter mit den Werbetreibenden (Quelle: Netzpolitik.org). Gut…Werbung gibt es nur für die Menschen, die das kostenfreie Angebot nutzen und ich habe wirklich mehr Werbung zu völlig sinnfreiem Zeugs gehört, als wirklich für mich interessante Sachen…aber der Algorithmus hat vermutlich noch trainiert.
Wieso ich davon erzählte? In meiner Art und Weise (ein Tröt auf Mastodon), wie ich von meiner Überraschung erzählen wollte, wurde mir eben die Quelle der vorher genannten Weisheiten unter die Nase gehalten. Versteht mich nicht falsch. Ich möchte die Bedenken dieses Artikels nicht in Abrede stellen. Spotify ist mit Sicherheit eine Datenkrake. Aber ich bin eben nicht mit allem einer Meinung, was in dem Artikel steht. So kann ich zum Beispiel den folgenden Satz nicht nachvollziehen.
Die von Algorithmen erstellten Playlists erwecken den Anschein, genau den eigenen Geschmack abzubilden – und das tun sie vielleicht auch für den einen Moment. Doch sobald man sich in den Raum begibt, schließt sich die Tür und die Hörerfahrung besteht nur noch aus Echos der Vergangenheit. Die Erweiterung des musikalischen Horizonts ist plötzlich begrenzt auf das eigene Spiegelbild. (Netzpolitik.org)
Vielleicht bin ich mit meinen nunmehr 48 Jahren auch einfach zu alt, die meisten meiner gehörten Künstler bereits verstorben oder inaktiv oder ich bewege mich generell in einem musikalischen Zeitkorridor (70er, 80er), in dem man sowieso immer wieder die gleichen Songs anhört. Ich betrachte daher diese Playlists nicht als Gefängnis. Ich tippe nur hin und wieder mal auf ein „zu meinen Lieblingssongs hinzufügen“.
Ahnungsloses Schaf
Vermutlich öffne ich mit meiner Meinung hier eh die nächste Türe der Pandora. Eventuell unterstellt man mir als ahnungsloses Schaf glücklich meine Daten zu verschenken, gutzuheißen, das Künstler ausgebeutet werden oder noch schlimmeres. Das habe ich eigentlich nicht vor. Eher im Gegenteil, ich würde gerne mehr Kontrolle über meine Daten haben. Aber das geht meiner Meinung nach nur dann, wenn man sich komplett aus der digitalen Welt verabschiedet.
Vermutlich tippt mir jemand seine Meinung über die ganzen bösen Datenkraken auf seinem Smartphone. Die wohl größte Schnüffelquelle (zumindest bezeichne ich sie immer als persönlichen Taschenspion der Konzerne). Am besten tippt man noch direkt neben einer Alexa und schimpft lautstark über meine Dummheit.
Ich überlege mir eben, welche Alternativen habe ich denn, wenn ich nicht mein Haus mit CDs voll stellen möchte? Klar, ich kann mir MP3s auf mein Smartphone laden und das digitale Angebot meines Radiosenders nutzen und mir da eine Playlist oder einen Podcast anhören. Denn zu Amazon Music dürfte ich auf keinen Fall. Das ist ja eh die nächste Pest im digitalen Kosmos und keine weniger schlimme Datenkrake. Ich fange von YouTube lieber gar nicht erst an. Doch eh längstens zu spät, denn auch in diesen Datenkraken bin ich bekannt. Es ist ein Teufelskreis…
Den Weg hinaus, haben wir glaube ich, längstes verpasst. Wir sind alle Teil einer Welt, die vollgestopft ist mit datenverarbeitenden Streamingdiensten. Nutzen wir diese nicht, wertet nur eine andere Datenkrake aus, was meine Geschmäcker sind. Der Musikladen, der meine Kartendaten hat und auch meine Einkäufe kennt (gut, der kennt vielleicht nicht unbedingt meinen Wohnort und meine Stimmung) tut das wohl ebenso, wie ein Versandhändler.
Wäre nur nicht alles so verdammt bequem. Vom Sofa aus, kann ich mit einem kleinen digitalen Gerät alles bekommen, was ich denke zu brauchen. Vermutlich liegt es genau daran, weshalb wir uns in den Armen von Spotiy und Co so gerne aufhalten.
Kurzum: Ich danke der Person, die mir diesen Link zum erwähnten Artikel geteilt hat, aber ich glaube nicht, dass ich nun die Welt retten kann oder meinen Konsum von Spotify ändere. Denn ich befürchte, das mir die Datensammelei von Spotify überhaupt nichts mehr ausmacht und ich dahingehend abgestumpft bin.
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